Die sich wandelnde Arbeitswelt erfordert rasches Handeln

OECD-Beschäftigungsausblick 2019

Der OECD-Beschäftigungsausblick 2019 widmet sich dem Thema Zukunft der Arbeit. Der Bericht untersucht die Auswirkungen der Megatrends Globalisierung, Digitalisierung und Bevölkerungsalterung auf die Arbeitsmärkte der OECD-Länder. Er analysiert die Trends zu Zahl und Qualität von Arbeitsplätzen sowie ihren Beitrag zu inklusivem Wachstum. Zudem werden die Folgen für Aus- und Weiterbildung, soziale Sicherung und sozialen Dialog betrachtet.

Die sich wandelnde Arbeitswelt erfordert rasches Handeln

Die Regierungen müssen ihre beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitischen Konzepte überprüfen und den Menschen helfen, mit dem raschen Wandel der Arbeitswelt Schritt zu halten. Wird nicht schnell gehandelt, könnten insbesondere Geringqualifizierte den Anschluss verlieren, was zu weiteren sozialen und wirtschaftlichen Spannungen führen kann. Zu diesem Schluss kommt der OECD-Beschäftigungsausblick 2019, der heute in Berlin vorgestellt wurde.

Der Beschäftigungsausblick ist Teil der OECD-Initiative zur Zukunft der Arbeit sowie der Kampagne „I am the Future of Work“, die dazu beitragen will, die Arbeitswelt von morgen positiv zu gestalten. Dafür fordert der Bericht eine „Transformationsagenda für eine Zukunft der Arbeit für alle“, mit vier zentralen Handlungsfeldern: Weiterbildung, arbeitsrechtlicher Schutz, soziale Sicherung und sozialer Dialog.

„Unser Beschäftigungsausblick geht nicht davon aus, dass uns die Arbeit ausgehen wird, er sieht aber große Herausforderungen für die Zukunft der Arbeit“, sagte OECD-Generalsekretär Angel Gurría bei der Vorstellung des Berichts in Berlin. „Mit der richtigen Politik können wir diese bewältigen. Die Arbeitswelt steht vor großen Veränderungen, aber wir können heute die Zukunft der Arbeit so gestalten, dass alle profitieren.“

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hob hervor: „Der OECD-Beschäftigungsausblick zeigt, dass wir die Zukunft der Arbeit auch in Zeiten des Wandels selbst gestalten können. Die Sozialpartnerschaft, wie wir sie in Deutschland kennen, ist dabei eine Stärke, auf die wir setzen können. Wir brauchen aber noch mehr. Mit der nationalen Weiterbildungsstrategie wird die Bundesregierung deshalb entscheidende Weichen stellen. Dabei kommt es auf drei Punkte ganz besonders an: Rechtsansprüche auf Weiterbildung, eine faire finanzielle Unterstützung für Lohnausfall während einer Weiterbildung und eine neu organisierte Beratungsstruktur zu Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten. Hierzu werde ich im Sommer Vorschläge vorlegen.“

In allen OECD-Ländern nehmen gerade diejenigen am wenigsten an Weiterbildung teil, die dies am dringendsten nötig hätten, also Menschen mit niedrigen Qualifikationen, ältere Erwachsene sowie atypisch Beschäftigte. Um die Vorteile der sich wandelnden Arbeitswelt auszuschöpfen, bedarf es einer grundlegenden Überarbeitung der Weiterbildungsprogramme, um ihre Qualität zu steigern und mehr Menschen zu erreichen. Dazu gehört es auch, finanzielle und zeitliche Weiterbildungshindernisse auszuräumen, die Übertragbarkeit von Weiterbildungsansprüchen zu sichern und für qualitativ hochwertige Informations- und Beratungsangebote zu sorgen.

Ein weiterer Punkt der Agenda ist, dass alle Beschäftigten, unabhängig von ihrem Beschäftigungsstatus, ausreichend durch das Arbeitsrecht abgesichert sind. Dazu gilt es Scheinselbstständigkeit – ein bei einigen Unternehmen beliebtes Mittel zur Umgehung von arbeitsrechtlichen und steuerlichen Regeln – wirkungsvoll zu bekämpfen. Dafür sollte die „Grauzone“ zwischen abhängiger und selbstständiger Beschäftigung so klein wie möglich gehalten und die rechtliche Stellung von Beschäftigten in diesem Bereich gestärkt werden.

Außerdem sollten die Systeme der sozialen Sicherung angepasst und ausgeweitet werden, um atypisch Beschäftigte besser abzusichern. In einigen Ländern erhalten solche Beschäftigte während Arbeitslosigkeitsphasen mit um 40 bis 50 Prozent geringerer Wahrscheinlichkeit Lohnersatzleistungen als reguläre Arbeitnehmer. Zudem sollten die Übertragbarkeit von Leistungsansprüchen zwischen verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen erleichtert und Sozialversicherungsleistungen durch universellere, bedingungslose Leistungen ergänzt werden.

Der gewerkschaftliche Organisationsgrad ist in den OECD-Ländern in den vergangenen 30 Jahren kontinuierlich gesunken: Waren 1985 noch 45 Prozent der Arbeitnehmer gewerkschaftlich organisiert, waren es 2016 nur noch 32 Prozent. Dies hat in vielen Ländern die Verhandlungsposition der Beschäftigten geschwächt und dazu beigetragen, dass der auf die Arbeitnehmer entfallende Teil des Volkseinkommens zurückgegangen ist. Atypisch Beschäftigte sind sogar nur halb so häufig gewerkschaftlich organisiert wie reguläre Arbeitnehmer. Die Möglichkeit zur Teilnahme an Tarifverhandlungen und am sozialen Dialog sollte daher über den Kreis der regulär Beschäftigten hinaus ausgedehnt werden.

Der Bericht rechnet aufgrund der sich abzeichnenden Verlangsamung der Weltkonjunktur mit einem kurzfristigen Rückgang der Beschäftigungsdynamik. Allerdings sind die während der Krise verzeichneten Beschäftigungseinbußen im OECD-Raum wieder voll ausgeglichen. Die Erwerbstätigenquote, d.h. der Anteil der Beschäftigten an der Bevölkerung im Erwerbsalter, ist heute sogar zwei Prozentpunkte höher als vor der Wirtschaftskrise.

In den meisten OECD-Ländern hat die Erwerbsbeteiligung insgesamt zugenommen, u.a. weil heute deutlich mehr Frauen und ältere Menschen erwerbstätig sind. Gleichzeitig sind deutlich mehr Jobs für Hochqualifizierte entstanden, deren Anteil an den Erwerbstätigen in den OECD-Ländern in den vergangenen zwei Jahrzehnten um 25 Prozent gestiegen ist.

Der Arbeitsmarkt hat sich jedoch weiter polarisiert. In vielen Ländern ist ein wachsender Anteil junger Menschen ohne tertiären Bildungsabschluss nicht erwerbstätig bzw. unterbeschäftigt oder gering entlohnt. In einigen Ländern war bei Männern eine Zunahme von Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung zu verzeichnen. Dennoch sind die Arbeitsmarktergebnisse für Frauen im Schnitt immer noch schlechter.

Digitale Transformation, Globalisierung und demografischer Wandel verändern bereits heute die Welt der Arbeit. In den nächsten 15 bis 20 Jahren könnten 14 Prozent der aktuellen Arbeitsplätze aufgrund von Automatisierung verschwinden; weitere 32 Prozent dürften sich radikal verändern.

Unbefristete Vollzeitbeschäftigungsverhältnisse dürften zwar auch in Zukunft den Großteil der Beschäftigung ausmachen. In den letzten Jahren war jedoch in einigen Ländern ein weiterer Anstieg atypischer Beschäftigung – z.B. (schein-)selbstständiger oder befristeter Beschäftigung – zu verzeichnen. Die Teilzeitbeschäftigung hat in den letzten Jahrzehnten in fast allen OECD-Ländern zugenommen. Auch der Anteil der Personen, die unfreiwillig in Teilzeit arbeiten, ist in zwei Dritteln der OECD-Länder gestiegen, für die diese Daten vorliegen.

Den Bericht und weiteres Material finden Sie auf unserer Webseite unter www.oecd.org/berlin/publikationen/employment-outlook-2019.htm.

Weitere Information zu unserer Kampagne „I am the future of work“ finden Sie unter https://futureofwork.oecd.org/.