Weltgemeinschaft ringt in Busan um die Zukunft der Entwicklungzusammenarbeit

Beim Hochrangigen Forum zur Wirksamkeit von Entwicklungszusammenarbeit (HLF-4) werden vom 29. November bis zum 1. Dezember 2011 in Busan, Südkorea bisherige Fortschritte im Hinblick auf eine wirksamere Entwicklungszusammenarbeit erfasst und neue Schwerpunkte gesetzt. Im Mittelpunkt der Debatte steht dabei die Frage, welches Paradigma die Entwicklungszusammenarbeit in Zukunft bestimmen wird.

Das HLF-4 ist ein wichtiger Meilenstein, um künftig Entwicklungszusammenarbeit erfolgreicher zu gestalten. Einmal mehr wird Bilanz gezogen, ob die 2005 mit der Pariser Erklärung international vereinbarten Prinzipien für nachhaltige Entwicklung wie etwa die Stärkung der Eigenverantwortung der Partnerländer, die bessere Abstimmung der Geber oder die gegenseitige Rechenschaftspflicht auch tatsächlich umgesetzt werden. Eine umfangreiche Evaluierung gibt Orientierungshilfe und zeigt, wer seine Hausaufgaben gemacht hat und wer nicht.

Das Forum in Busan ist bereits das vierte Treffen im Rahmen eines internationalen Prozesses, dessen Ziel es ist, Entwicklungszusammenarbeit wirksamer zu gestalten. Hintergrund ist die Erkenntnis der Staatengemeinschaft, dass die im Jahr 2001 festgelegten Millenniumsentwicklungsziele(MDG) zur Verringerung der weltweiten Armut nur mit dem verstärkten Einsatz aller Beteiligten zu erreichen sind. Dazu gehören sowohl die Bereitstellung von mehr finanziellen Mitteln für die Entwicklungszusammenarbeit als auch deren stärkere Ausrichtung an Wirksamkeitsprinzipien.

Mit der Verabschiedung der Erklärung von Paris haben die beim zweiten Hochrangigen Forum zur Wirksamkeit für Entwicklungszusammenarbeit (HLF2) vertretenen Geber- und Partnerländer, multilateralen Institutionen und Entwicklungsbanken im Jahr 2005 fünf Prinzipien festgelegt und diese mit Indikatoren und konkreten Verpflichtungen für Geber und Partnerländer verbunden. Die Erklärung von Paris hat fünf Prinzipien für wirkungsvolle Entwicklungshilfe definiert – und zwar die Eigenverantwortung der Entwicklungsländer („ownership“), die Nutzung ihrer Institutionen und Verfahren („alignment“), Geberharmonisierung, Ergebnisorientierung („managing for results“) und – wechselseitige Verantwortung. Erweitert wurde die Erklärung von Paris beim bislang letzten Hochrangigen Forum zur Wirksamkeit von Entwicklungszusammenarbeit in Accra im Jahr 2008 (HLF-3). Der Aktionsplan von Accra (AAA) baut auf der Erklärung von Paris auf und erweitert sie um Bereiche wie fragile Staaten, neue Geber, Sektoraufgaben und die Zivilgesellschaft, verzichtet aber auf Indikatoren und Zeithorizonte.

„We will make aid more transparent“, erklärten die Teilnehmer des High ­Level Forums on Aid Effectiveness in Accra 2008. Der Vorstand der in Accra gegründeten International Aid Transparency Initiative (IATI – http://www.aidtransparency.net/) verabschiedete im Februar 2011 einen internationalen Datenstandard. Make Aid Transparent heisst eine von über 90 NGOs getragene internationale Kampagne. In einer Petition werden die Regierungen der Geberländer aufgefordert, offen darüber zu informieren, was sie mit den Geldern der Entwicklungszusammenarbeit finanzieren. (http://www.makeaidtransparent.org)

Von großem Erfolg gekrönt sind die Bemühungen bislang nicht, wie eine Evaluierung (http://www.oecd.org/dataoecd/25/30/48742718.pdf)des Entwicklungsausschusses der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD-DAC) im Mai ergab: Insgesamt seien die Ziele von Paris und Accra nur zu etwa einem Drittel erreicht worden. Die Geber haben demnach von 13 relevanten Indikatoren global nur einen erfüllt. Die Entwicklungsländer hätten deutlich mehr politisch und institutionell verändert als die Geber, heißt es weiter. Am besten sei es noch gelungen, die Eigenverantwortung der armen Länder zu stärken, die größten Defizite bestünden bei der gegenseitigen Rechenschaftspflicht. Die Brookings Institution (http://tinyurl.com/bu8m5d7) spricht von einem „düsteren Ergebnis“ und zwar „selbst nach den Standards der internationalen Entwicklungspolitik, in der regelmäßig Versprechen abgegeben, aber selten gehalten werden“. Beim Forum in Busan sollen Fortschritte erfasst und eine Agenda zur Verbesserung der Wirksamkeit vereinbart werden.

Der vom EU-Parlament kürzlich abgesegnete ‘report on the 4th High Level Forum on Aid Effectiveness’ ist vielversprechend – und steht damit im Kontrast zum von der Kommission vorgelegten Vorschlag für eine EU-Position von Anfang September. Der ‚Preda-Bericht‘ (http://tinyurl.com/cnoznl7) stellt die Öknomisierung der EZA in Frage, fordert die Stärkung der Zivilgesellschaft, die Abschaffung indirekter Lieferbindungen und ein starkes Bekenntnis zum bisherigen Prozess. Der ‚Preda-Bericht‘ weist auf den unkritischen Umgang mit dem Privatsektor, der als Akteur mit ins Boot geholt werden soll ohne Standards wie Menschenrechte, ArbeitnehmerInnenrechte und mehr einzufordern. Der ‚Preda-Bericht‘ weist explizit auf die Gefahren für die Armutsbekämpfung hin, die sich aus dieser Entwicklung ergeben könnten.

Der jüngste Entwurf des Busan Outcome Document (http://www.ccc-cambodia.org/downloads/aid-effective/ATT00010.pdf) zeigt nun eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu den ersten beiden Entwürfen, Schwächen finden sich aber immer noch genug: wenig Zugeständnisse an die Zivilbevölkerung, dafür viele an den Privatsektor, mehr Fokus auf Armutsbekämpfung, dafür ein wenig konsistenter Umgang mit Geschlechtergerechtigkeit. Die finale Version, die am High Level Forum in Busan Grundlage für das Abschlussdokument sein wird, wird in den kommenden Wochen von ‚Sherpas’ vorbereitet werden. Quelle: http://www.globaleverantwortung.at/start.asp?ID=246734

Zivilgesellschaftliche Akteure fordern die umfassende Beteiligung der Zivilgesellschaft als eigenständige Entwicklungsakteure sowie eine gleichberechtigte und gerechte Entwicklungsarchitektur. Damit ein neues Paradigma zu nachhaltiger Entwicklung und Armutsbekämpfung beitragen kann, müssen in Busan die bisherigen Verpflichtungen auf der Grundlage des Prinzips der demokratischen Eigenverantwortung überarbeitet werden, die Menschenrechtsperspektive gestärkt und zugrunde liegende Armutsursachen bekämpft werden.

Das HLF-4 sollte daher nicht nur dazu genutzt werden, die Fortschritte bei der Umsetzung der Verpflichtungen von Paris und Accra zu erfassen, sondern auch dazu, eine umfassende Reform der Entwicklungszusammenarbeit in die Wege zu leiten, von der die Ärmsten profitieren. Entscheidend dafür ist, dass der politische Kontext von Entwicklung und Armut in den Fokus genommen wird, der Dialog durch die Einbeziehung der Zivilgesellschaft breit verankert und mit messbaren, zeitgebundenen und überprüfbaren Verpflichtungen verbunden wird. Quelle: VENRO 2015 aktuell, http://2015.venro.org/fileadmin/redaktion_2015/pdf/2015_VENRO_Busan_2011.pdf