Internationale Entwicklungszusammenarbeit als Berufsfeld: Trends und Herausforderungen für die Personalentsendung
Gesa Grundmann, Seminar für Ländliche Entwicklung (SLE), Berlin, 2013
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Band 2 der entwicklungspolitischen Themenreihe des SLE Berlin beschäftigt sich mit dem Thema Personalentsendung im Berufsfeld Internationale Entwicklungszusammenarbeit und untersucht die aktuellen Trends sowie die damit verbundenen Herausforderungen.
Die große Mehrheit der Fachleute, die in diesem Reader zu Wort gekommen sind, ist der Auffassung, dass das Berufsfeld EZ/IZ sich auch zukünftig mit komplexen und herausfordernden Aufgaben beschäftigen wird und dementsprechend gut qualifizierten und motivierten Nachwuchs braucht.
Veränderungen deuten sich jedoch an hinsichtlich der Personalkonzepte und den zu bearbeitenden Themenkomplexen. So wird es vermutlich zukünftig mehr Süd-Süd BeraterInnen geben so-wie internationale Fachkräfte, die unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit bei der Umsetzung von EZ/IZ Vorhaben der verschiedenen Geberländer mitarbeiten. Ob sich die thematische Ausdifferenzierung der EZ/IZ (z.B. in Nothilfe, Postkonflikt-Interventionen, fragile Staaten aber auch das sog. „Nordgeschäft“) in dementsprechende Berufsgruppen mit Spezialqualifikationen (und–ausbildungen) umsetzen wird, bleibt abzuwarten.
Genauso offen bleibt die Frage, ob die deutsche staatliche EZ/IZ ihre Beratungsansätze zukünftig noch gezielter auf Makro-und Mesoebene lenken wird und die direkte Arbeit mit Zielgruppen an der Basis den kirchlichen, nichtstaatlichen oder lokalen Organisationen überlässt. Eine Konstante des Berufsfeldes wird jedoch auch zukünftig der Bedarf an ExpertInnen sein, die neben einer soliden Fachausbildung explizit auch über methodische und soziale Kompetenzen verfügenund in der Lage sind, ihr Agieren in immer komplexer werdenden Kontexten selbstkritisch zu reflektieren.
Auszug: Schlussfolgerungen
Der vorliegende Reader ist der Frage nachgegangen, inwieweit das Instrument der Personalentsendung heute noch zeitgemäß ist, welchen Veränderungen es unterliegt und wohin der Trend gehen könnte. Im Folgenden werden die verschiedenen Erkenntnisse im Hinblick auf die Zukunft der Personalentsendung zusammengefasst, bewertet und in den Kontext von Weiterbildung und Nachwuchsförderung für das Berufsfeld gestellt.
Paradigmenwechsel durch neue Akteure
EZ/IZ ist in den letzten Jahren zunehmend global geworden, d.h. Modalitäten und Instrumente der EZ/IZ folgen einer global vereinbarten Zielagenda, die auf internationaler Ebene im Rahmen der Wirksamkeitsdebatten auf den High Level Foren (HLF) verhandelt werden. Gleichzeitig zeichnet sich ein Paradigmenwechsel durch Verschiebungen in den ökonomischen und politischen Kräfteverhältnissen der Staaten ab. Manche Schwellenländer oder Ankerländer gehören nun zu den neuen Entwicklungsfinanzgebern und bringen ihre Interessen in die internationalen Abkommen ein. Der Privatsektor, private Stiftungen, aber auch zivilgesellschaftliche Akteure in Nord und Süd werden zunehmend einbezogen und sind an der Wirksamkeitsdebatte von Entwicklungszusammenarbeit beteiligt. Die bisherige Geber-Nehmer-Mentalität soll aufgebrochen werden durch die Idee der „Globalen Partnerschaft“, in der alle Akteure der Entwicklungszusammenarbeit auf Augenhöhe miteinander agieren, verhandeln und kooperieren.
Fortbestehen alter Probleme in neuen Dimensionen
Trotz global abgestimmter Internationaler Entwicklungsziele im Rahmen der Millenniums- und zukünftig der Sustainable Development Goals (SDG) und einer breiten Akteurslandschaft sieht sich die Welt nach wie vor vielen ungelösten Problemen, Missständen, Katastrophen und Fehlentwicklungen gegenüber. Vom Menschen verursachte Probleme wie Klimawandel, Ressourcendegradierung und Umweltverschmutzung, soziale Disparitäten, Kriege, Migration, fragile Staaten und das Fortbestehen von Armut und Hunger für große Teile der Menschheit lassen die Idee eines „sich überflüssig Machens von Entwicklungszusammenarbeit“ wohl noch für längere Zeit in weite Ferne rücken.
Skepsis gegenüber den bisherigen Ansätzen
Nicht nur in der entwicklungspolitischen Fachwelt macht sich eine gewisse Ernüchterung über die bisher erreichten Ziele der großen, internationalen Konferenzen breit. Auch in der Öffentlichkeit steht die EZ/IZ in der Kritik,–insbesondere in Zeiten von Wirtschafts-und Finanzkrisen–keine ausreichenden Wirkungen zu erzielen. Die Suche nach Erfolg versprechenden Ansätzen, Konzepten und Strukturen hält daher an, wobei das große Problem der fehlenden Kohärenz unterschiedlicher Politikfelder nach wie vor eine der größten Herausforderungen darstellt. Auch gegenüber den verschiedenen neuen Akteuren herrscht Skepsis, da für die EZ zu Grundeliegende Prinzipien und Werte – wie beispielsweise die Einhaltung der Menschenrechte oder die Beteiligung der Zivilgesellschaft–häufig in den neuen Kooperationsformennichtbeachtet werden.
Von der Entwicklungshilfe über die Entwicklungszusammenarbeit zur Internationalen Zusammenarbeit
Die Veränderungen auf globaler Ebene zeichnen sich auch in der bundesdeutschen entwicklungspolitischen Landschaft ab. Zunehmend wird von „Internationaler Zusammen-arbeit“ gesprochen statt von Entwicklungszusammenarbeit oder gar von Entwicklungshilfe. Dies wird insbesondere im Namen der neu gegründeten GIZ deutlich–das IZ ist hier Teil des Namens, was u.a. die verstärkte Kooperation mit Schwellen-und Industrieländern postuliert. Als Teilder IZ wird auch das Engagement einiger deutscher öffentlicher Auftraggeber (DÖAG) bezeichnet, wie z.B. dem Bundesumweltministerium, dem Bundesgesundheitsministerium oder dem Auswärtigen Amt, die in den letzten Jahren (zusätzlich zu den vom BMZ finanzierten Maßnahmen) Mittel für Klimaschutz, Friedenssicherung oder die Bekämpfung globaler Gesundheitsrisiken zur Verfügung gestellt haben. Auch die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft in Form von „Public Private Partnerships“ läuft unter dem Oberbegriff IZ. Gleichzeitig wird der Begriff Entwicklungszusammenarbeit weiter verwendet, insbesondere von den kirchlichen Entwicklungsdiensten aber auch von NRO wie z.B. der Welthungerhilfe.
Personalentsendung im Aufschwung
Einige Geberländer (wie z.B. Großbritannien, die Niederlande oder die skandinavischen Länder) haben sich in den vergangenen Jahren von der personellen Zusammenarbeit mehr auf die finanzielle Zusammenarbeit (und hier vorwiegend auf die Budgethilfe) verlegt. Deutschland hingegen hält am Konzept der Personalentsendung als wichtiges Instrument der EZ/IZ fest. In den letzten Jahren sind die deutschen ODA-Mittel sowie die Anzahl der entsandten Fachkräfte gestiegen (siehe Kapitel2). Ebenso sind das Themenspektrum und die Anzahl der Länder, in die Personal entsendet wird, gewachsen. Dies liegt einerseits an den „neuen Gebern“ innerhalb Deutschlands (andere Ministerien),andererseits aber auch an Aufträgen, die deutsche EZ/IZ-Organisationen für andere Länder umsetzt (z.B. für die Skandinavier, Australien, die EU oder die Weltbank). Die Personalabteilungen der deutschen Entsendeorganisationen bescheinigen, dass es in den letzten Jahren viele neue Stellen gab und proportionalviele Nachwuchskräfte den Einstieg in das Berufsfeld gefunden haben. Ob dieser Trend in Zeiten internationaler Finanzkrisen jedoch anhalten wird, wagt derzeit niemand zu prognostizieren Schlussfolgerungen
Personalentsendung mit internationalen Fachkräften
Schon immer arbeiten relativ viele lokale Fachkräfte für Organisationen wie der GTZ/GIZ oder der Welthungerhilfe bei der Umsetzung von Projekten und Programmen in ihren Herkunftsländern mit. Sie arbeiten mit lokalen, befristeten und zumeist deutlichweniger gut bezahlten Verträgen, genießen in der Regel nicht die Privilegien entsandter Fachkräfte (wie z.B. Auslandszulagen oder die Evakuierung ins Ausland bei Krisen) und bekleiden häufig die weniger verantwortungsvollen Positionen. Relativ neu hingegen ist der Trend, dass deutsche Organisationen internationale Fachkräfte verschiedenster Herkunft auf verantwortungsvolle Posten in ihre Vorhaben entsenden. Dies gilt insbesondere für die Entsendung an „schwierige Standorte“, d.h. fragile Staaten oder Nothilfegebiete, für diees nicht immer genügend geeignete KandidatInnen mit deutscher Her-kunft gibt.
Auslaufmodell „EntwicklungshelferIn“?
Passt das Modell des Entwicklungshelfers, der auf Grundlageeines 1969 entstandenen Vertragswerks unds eitdem nicht grundsätzlich veränderten Entwicklungshilfegesetzes arbeitet, noch in das Bild der modernen IZ? Diese Fragesteht nach der Fusion des Deutschen Entwicklungsdienstes (mit ca.1.000 Entwicklungshelferstellen) mit der GTZ und InWEnt in die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit im Raum. Nach Willen des BMZ soll es im Rahmen der GIZ auch nach der Fusion das Instrument der staatlichen EH-Entsendung weitergeben. Einiges–wie z.B. die deutlich abgesunkenen EH-Entsendezahlen nach der Fusion–deutet jedoch darauf hin, dass dieses Instrument zunehmend als nicht mehr zeitgemäß empfunden wird und es innerhalb eines Unternehmens auf Dauer schwierig sein wird, Fachkräfte zu entsenden, die in ähnlichen Arbeitskontexten mit unterschiedlichen Verträgen und Entlohnungssystemen agieren. Kritische Stimmen befürchten, dass es zukünftig die Entwicklungshelferentsendung für Einsätze mit Basisgruppen nur noch über kirchliche oder nicht-staatliche Entwicklungsdienste geben wird, wohingegen sich die staatliche GIZ zunehmend auf Beratungsvorhaben auf Meso-bzw. Makroebene fokussieren wird.
Entwicklung eines eigenständigen Berufsfeldes für Nothilfe, zivilen Friedensdienst und den Einsatz in fragilen Staaten?
Eine Entsendung in Nothilfegebiete, (Nach-)Kriegsgebiete oder fragile Staaten erfordert von den Fachkräften besondere Kompetenzen, die über einen „normalen“ Einsatz in Entwicklungsländern hinausgehen. Gefordert werden insbesondere konfliktsensibles Handeln, erhöhte Stressresistenz und die Fähigkeit, auch unter eingeschränkten Sicherheitsbedingungen zu arbeiten und zu leben. Einsatzorte, die explizit nicht familien-tauglich sind, haben in den letzten Jahren stark zugenommen und wer-den wohl auch in Zukunft relevant bleiben. Es stellt sich daher die Frage, ob sich das Berufsfeld EZ/IZ mit noch spezifischeren Aus-und Weiterbildungsangeboten noch mehr auf diese Bereiche spezialisieren wird. Im reinen Nothilfebereich ist dies weitestgehend geschehen. Hier gibt es Ausbildungsgänge in Logistik oder Nothilfe und die so ausgebildeten Fachkräfte arbeiten vornehmlich in Nothilfe-Vorhaben. Auch für den zivilen Friedensdienst gibt es spezielle Ausbildungsgänge und einen Arbeitsmarkt, der diese Spezialkenntnisse nachfragt und schätzt. Für den Einsatz in fragilen Staaten hingegen suchen die Entsendorganisationen Fachkräfte, die sich an den Schnittstellen von Not-und Übergangshilfe, dem Wiederaufbau und der Entwicklungszusammenarbeit verorten. Bis-lang ist zu beobachten, dass die Fachkräfte zwischen Einsätzen in fragilen Staaten und „klassischen“ Entwicklungsländern wechseln. Es bleibt jedoch zu beobachten, ob diese „Durchlässigkeit“, d.h. das Wechseln zwischen fragilen Ländern, nicht fragilen Ländern und dem Einsatz in den Zentralen der Entsendorganisationen so beibehalten wird oder ob sich auch hier ein Spezialberufsfeld „fragile Staaten“ herausbildet.
Berufsfeld ohne Nachwuchssorgen
Ob das Berufsfeld EZ/IZ weiterwachsen wird oder nicht, Nachwuchssorgen plagen in Deutschland derzeit niemanden. Fest steht, dass es sich um ein verhältnismäßig kleines Berufsfeld handelt, das jährlich rund300 Nachwuchsstellen und hohe Einstiegsbarrieren bietet. Der Berufseinstieg für junge Menschengestaltet sich nach wie vor eher schwierig, da die Anforderungen an Kompetenzen und erste Arbeitserfahrungen hoch sind und es tendenziell mehr Interessenten als Stellen gibt. Auslands-und Inlandspraktika während des Studiums sind unerlässlich, um eine der wenigen Junior-,Nachwuchs-oder Traineestellen bei den einschlägigen Organisationen zu bekommen. Wichtig ist auch, sich relativ früh für das Berufsfeld zu interessieren, um Studium, Sprachen, Auslandsaufenthalte und Praktika idealer Weise an dem Bedarf des Berufsfeldes auszurichten. Verbessert werden sollte dabei die Schnittstelle bzw. Verbindung zwischen den Universitäten und den Berufsfeldorganisationen. Über Berufsmessen hinaussollten noch andere Wege gefunden werden, wie das Berufsfeld sich mehr an universitäre Ausbildung und Forschung annähert. Auch die Möglichkeit für junge Menschen, berufsfeldnah für 6-12 Monate ins Ausland zu gehen, sollte dem Nachwuchs weiter offen stehen. Hier sind insbesondere das Weltwärts-Programm des BMZ sowie das Nachwuchsförderprogramm (NFP) des ehemaligen DED zu nennen, die sich explizit an junge Menschen wenden. Derzeit wird geprüft, ob das NFP-Programm in der neuen GIZ weiter Bestand haben wird. Aus Sicht der Ausbildungsinstitutionen ist dies auf jeden Fall zu befürworten.
Die Rolle der Ausbildungsinstitute
Alle oben genannten Entwicklungen werden von den einschlägigen EZ/IZ Ausbildungsinstitutionen DIE, SLE und NADEL regelmäßig beobachtet und ausgewertet. In den letzten Jahren haben die drei Institutionen ihr Ausbildungsangebot explizit auf Fachkräfte aus Entwicklungs-und Schwellenländern ausgeweitet: das DIE mit seiner Global Governance School für Führungskräfte aus Schwellenländern, das SLE mit seinen offenen Trainingsangeboten sowie der Unterstützung eines SLE-ähnlichen Studiengangs in Mosambik, und das NADEL mit Kursangeboten in Entwicklungsländern. Dabei werden die „neuen“ Zielgruppen als komplementär zu der Ausbildung deutschsprachiger Nachwuchskräfte gesehen und es wird gezielt auf Schnittstellen und Synergien zwischen alten und neuen Geschäftsbereichen hingearbeitet. SLE und NADEL beschäftigen sich intensiver mit dem Themenbereich „fragile Länder“, wohingegen sich das DIE mit dem Themenkomplex „Global Governance“ auf die Politikberatungsebene spezialisiert hat. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von neuen Master-studiengängen, die in verschiedenen EZ/IZ Spezialthemen wie z.B. Evaluierung (Universität des Saarlandes), Katastrophenvorsorge (Universität Bonn) oder Humanitäre Hilfe (Ruhr-Universität Bochum) Nachwuchsausbildung für das Berufsfeld betreiben.
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