Bericht über die Entwicklungszusammenarbeit 2016
Paris, 19.07.2016 (OECD) – Mit der Verabschiedung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDG) verfügt die Welt nun über den ambitioniertesten, am breitesten gefächerten und universellsten Entwicklungsfahrplan der Geschichte. Um die damit verbundenen Herausforderungen zu meistern, muss die internationale Gemeinschaft deutlich mehr aufbringen als die rd. 135 Mrd. US‑$, die pro Jahr für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA) bereitgestellt werden. Der Investitionsbedarf für die Umsetzung der SDG in Entwicklungsländern liegt Schätzungen zufolge zwischen 3,3 Bill. und 4,5 Bill. US‑$ pro Jahr. Für Maßnahmen zur Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs im Vergleich zum vorindustriellen Niveau auf 1,5°C müssen bis 2020 allein von den Industriestaaten rd. 100 Mrd. US‑$ pro Jahr aufgewendet werden. Gleichzeitig verdeutlichen die neuen Ziele, dass die Herausforderungen nachhaltiger Entwicklung nicht nur arme Länder, sondern uns alle betreffen. Um diese globalen, miteinander verknüpften Herausforderungen zu bewältigen, bedarf es der Kooperation einer Vielzahl verschiedener Akteure, wobei dem privaten Sektor eine entscheidende Rolle zukommt.
Investitionen in nachhaltige Entwicklung sind gut angelegt
Für die SDG sprechen überzeugende ökonomische Argumente. Der vorliegende Bericht über die Entwicklungszusammenarbeit 2016 verdeutlicht, dass Investitionen in nachhaltige Entwicklung gut angelegt sind. Unternehmen, die Nachhaltigkeit in ihrem Geschäftsmodell verankern, sind profitabel und erfolgreich und erzielen positive Kapitalrenditen in Form von verringerten Risiken, Markt‑ und Portfoliodiversifizierung, höheren Einnahmen, geringeren Kosten und höherwertigen Produkten. Investitionen in Entwicklungsländern – selbst in den am wenigsten entwickelten Ländern – werden trotz ihrer Risiken zunehmend als Geschäftschancen wahrgenommen. Im Gegenzug tragen Unternehmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen, Infrastruktur, Innovationen und sozialen Dienstleistungen bei. Dieser Bericht untersucht fünf Ansätze, um das enorme Potenzial des privaten Sektors als Partner für die Umsetzung der SDG zu realisieren und für Investitionen in einem Umfang und mit der Qualität zu sorgen, wie sie zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung nötig sind.
Fünf Ansätze zur Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung
1. Ausländische Direktinvestitionen (ADI) sind die mit Abstand bedeutendste Quelle internationaler Kapitalzuflüsse in Entwicklungsländer und gelten als eine der entwicklungsfreundlichsten Formen privater Investitionen. Sie können Arbeitsplätze schaffen, die Produktionskapazitäten steigern, lokalen Unternehmen den Zugang zu neuen internationalen Märkten eröffnen und einen Technologietransfer bewirken, der positive langfristige Effekte mit sich bringen kann. Vielerorts wird erwartet, dass diese Kapitalströme bei der Schließung der SDG‑Finanzierungslücke eine entscheidende Rolle spielen werden. Der Handels‑ und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (UNCTAD) zufolge könnten konzertierte Bemühungen der internationalen Gemeinschaft helfen, bis 2030 eine Vervierfachung der ausländischen Direktinvestitionen zu erzielen, insbesondere in strukturschwachen Ländern. Es besteht jedoch Anlass zur Sorge, da sich die globalen Kapitalströme allmählich verlangsamen, während zugleich die ökonomische Vulnerabilität zunimmt. Kapitel 2 warnt vor den gravierenden negativen Auswirkungen, die eine Abschwächung oder gar Umkehr der mit ausländischen Direktinvestitionen verbundenen Kapitalströme sowohl für die Entwicklungsländer als auch für die internationalen Anlagemärkte haben könnte. Mit Entwicklungsstrategien, die auf den komplementären, sich gegenseitig verstärkenden Eigenschaften von privaten Investitionen und Entwicklungszusammenarbeit aufbauen, kann der Konjunkturabhängigkeit und Instabilität der ADI‑Trends entgegengewirkt werden.
2. Methoden der Mischfinanzierung (Blending), bei denen öffentliche Mittel strategisch eingesetzt werden, um beispielsweise risikomindernde Instrumente für private Investoren bereitzustellen, können eine bedeutende Steigerung der Investitionen in Entwicklung bewirken. Mischfinanzierung bietet ein enormes, weitgehend ungenutztes Potenzial für die Zusammenarbeit öffentlicher, philanthropischer und privater Akteure, um den Umfang der Investitionen in Entwicklungsländer erheblich auszuweiten. Sie kann Hemmnisse beseitigen, die private Investoren von einem Engagement in Sektoren und Ländern abhalten, in denen dringend mehr Investitionen benötigt werden. Um den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritt zur Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung voranzutreiben, muss in größerem Umfang auf Mischfinanzierung zurückgegriffen werden; dabei ist jedoch eine systematische Vorgehensweise erforderlich, mit der bestimmte Risiken vermieden werden. Kapitel 3 untersucht Möglichkeiten zur Nutzung von Entwicklungs‑ und philanthropischer Finanzierung zur Freisetzung von Ressourcen mit Hilfe von Blending‑Mechanismen, die das Potenzial haben, Wirtschaft und Gesellschaft und damit auch das Leben der Menschen grundlegend zu verändern. Dabei wird festgestellt, dass das Konzept der Mischung von öffentlicher und privater Finanzierung im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit zwar nicht neu ist, bislang aber nur eine unwesentliche Rolle gespielt hat.
3. Kapitel 4 dieses Berichts beschreibt die gegenwärtig laufenden Arbeiten zur Beobachtung und Messung der mobilisierenden Wirkung, die Interventionen des öffentlichen Sektors auf die private Investitionstätigkeit haben. Dies wird voraussichtlich ein wesentliches Element des neuen Konzepts der „Öffentlichen Gesamtleistung zur Förderung nachhaltiger Entwicklung“ (Total Official Support for Sustainable Development – TOSSD) bilden. Diese Messgröße wird wichtige Informationen über Finanzierungsstrategien und Best Practices liefern, um die Einwerbung von Entwicklungsfinanzierung zur Förderung der SDG zu unterstützen. Eine kürzlich erschienene OECD‑Studie bestätigte, dass die Erfassung und Messung von Daten zum direkten Mobilisierungseffekt von Bürgschaften, Konsortialkrediten und Beteiligungen an gemeinsamen Anlageinstrumenten möglich ist. Gegenwärtig werden weitere Arbeiten durchgeführt, um ähnliche Methoden für andere Finanzinstrumente zu entwickeln. Es bleibt jedoch noch viel zu tun, insbesondere bei der Entwicklung von Möglichkeiten zur Messung der indirekten bzw. Katalysatoreffekte öffentlicher Interventionen im Hinblick auf die Verwirklichung der globalen Ziele und die Bewältigung des Klimawandels. Im Interesse der Kohärenz koordiniert die OECD ihre Anstrengungen in diesem Bereich mit denen anderer Foren.
4. Wirklich nachhaltig und inklusiv ist Entwicklung dann, wenn sie allen Bürgern zugutekommt – vor allem jenen, die besonders bedürftig, marginalisiert und gefährdet sind. In den vergangenen zehn Jahren wurde mit dem wirkungsorientierten Investieren ein innovativer Ansatz entwickelt, um die ärmsten und marginalisiertesten Bevölkerungsgruppen weltweit stärker von der Tätigkeit von Unternehmen profitieren zu lassen. Unternehmen, die messbare soziale ebenso wie finanzielle Erträge erwirtschaften, können für mehr Wirksamkeit, Innovation und Rechenschaftspflicht bei Entwicklungsanstrengungen sorgen und deren Umfang erhöhen. Öffentliche Mittel können dazu eingesetzt werden, entsprechende Investitionen durch Risikoteilung sowie die Förderung eines tragfähigen Geschäftsumfelds, insbesondere in den am wenigsten entwickelten Ländern und in Postkonfliktsituationen, zu steigern und zu unterstützen. Diese neuen Geschäftsmodelle können bestehende ergänzen, vor allem in Bereichen, an denen Unternehmen traditionell geringes Interesse zeigen, die für arme Bevölkerungsgruppen aber von essenzieller Bedeutung sind, wie z.B. Bildungs‑ und Gesundheitswesen sowie Sozialdienstleistungen.
5. Um zu gewährleisten, dass die entwicklungsfördernden Anstrengungen der Unternehmen keine schädlichen Nebenwirkungen haben, muss der private Sektor denselben internationalen Transparenz‑ und Rechenschaftsstandards unterliegen wie alle anderen Akteure. Kapitel 6 befasst sich mit den Grundsätzen und Standards verantwortungsbewussten unternehmerischen Handelns sowie den Möglichkeiten, die sie Unternehmen bieten, um den Unternehmenserfolg zu steigern und zugleich positive Ergebnisse für die Bevölkerung und den Planeten zu erzielen. Unternehmen und staatliche Akteure spielen bei der Umsetzung, Förderung und Unterstützung verantwortungsbewussten unternehmerischen Handelns komplementäre Rollen. Die OECD‑Leitsätze für multinationale Unternehmen helfen, ihre Aktion zu optimieren, indem sie die Entwicklung verantwortungsvoller und rechenschaftspflichtiger Geschäftspraktiken unterstützen. So kann gewährleistet werden, dass steigende Investitionen mit einer entsprechend größeren unternehmerischen Qualität zur Realisierung gesellschaftlicher, ökonomischer und ökologischer Nutzeffekte einhergehen.
Der vorliegende Bericht liefert Beispiele dafür, wie die OECD den Dialog zwischen den verschiedenen Akteuren im Bereich der nachhaltigen Entwicklung fördert und Möglichkeiten zur Zusammenarbeit schafft. Zudem stellt er Praxisbeispiele vor, die zeigen, wie sich Unternehmen bereits für die Förderung nachhaltiger Entwicklung und inklusiven Wachstums in Entwicklungsländern einsetzen. Gerade in der heutigen, von Globalisierung, raschem technischem Fortschritt und Ressourcenwettbewerb geprägten Zeit gilt, dass es den Unternehmen nur dann wirklich gut gehen kann, wenn es auch der Welt gut geht.
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