Als Politikberater im Bereich der internationalen Zusammenarbeit möchte ich Sie heute auf eine wichtige Debatte aufmerksam machen, die auf der Hamburg Sustainability Conference 2025 stattfand. Das Panel zum Thema „Navigating Sustainability and International Cooperation in a Multipolar World“ (Nachhaltigkeit und internationale Zusammenarbeit in einer multipolaren Welt navigieren) beleuchtete die drängendsten Herausforderungen und Chancen unserer Zeit. Unter der Moderation von Terry Martin, einem international erfahrenen Journalisten, wurde deutlich, dass wir uns in einem Moment tiefgreifenden geopolitischen Wandels befinden.
Die traditionelle globale Ordnung verschiebt sich, und die Nachhaltigkeitsagenda wird derzeit von aufstrebenden Mächten, verschiedenen regionalen Allianzen und technologischen Umwälzungen, insbesondere der KI, neu definiert. Diese Turbulenzen und die Umwälzung des Status quo, teilweise angetrieben von politischen Entwicklungen in den Vereinigten Staaten, schaffen jedoch auch neue Möglichkeiten. Es ist entscheidend, diese Chancen zu erkennen und zu nutzen, um sie zum Wohle aller einzusetzen. Wir sehen bereits neue Modelle der Zusammenarbeit und mehr Führung aus dem Globalen Süden.
Das Panel versammelte fünf außergewöhnliche Denker und Führungspersönlichkeiten aus verschiedenen Teilen der Welt, darunter Obi Ezekiel aus Nigeria, Af Salet aus Bangladesch, Len Ishmael aus St. Lucia, Nemoy Thompson aus Ghana und Derek Messner aus Deutschland. Ihre regionalen Perspektiven auf die multilaterale Zusammenarbeit boten einen tiefen Einblick in die aktuellen Veränderungen und Unsicherheiten.
Aus afrikanischer Sicht betonte Obi Ezekiel, dass die Geschichte zeigt, dass strukturelle Veränderungen in der Welt oft von Ängsten begleitet wurden, aber bewusst gefundene Wege zu besseren Ergebnissen führten. Für Afrika, das weder von der Agrar- noch von der industriellen Revolution profitierte, stellt die technologische Revolution, insbesondere ICT, eine große Chance dar, da sie junge Menschen einbindet und exponentiellen Fortschritt ermöglicht, beispielsweise durch mobile Geräte, die für die Banklosen in ländlichen Gebieten Afrikas eine Welt erschlossen haben. Sie sieht die aktuelle Neuordnung als beste Gelegenheit für Afrika, wenn die eigene Führung wirklich zusammenfindet.
Af Salet aus Bangladesch hob hervor, dass die Welt zunehmend transaktional werde, was die Frage aufwerfe, wer sich noch für die Menschheit, die SDGs und die Ungleichheit einsetzt. Er wies darauf hin, dass die traditionelle Vorstellung des Westens als Avantgarde bestimmter Ideologien zerfällt. Dies führt dazu, dass Zivilgesellschaftsorganisationen, die überwiegend von westlichen Organisationen finanziert wurden, nun unsicher sind, was angesichts einer zunehmenden Feindseligkeit gegenüber internationaler Hilfe geschehen wird.
Len Ishmael aus St. Lucia kontextualisierte die Konversation in einer Zeit extremer Fluidität, geprägt von aufeinanderfolgenden Krisen wie der Finanzkrise 2008, COVID-19 und Kriegen in Europa. Sie betonte, dass die Welt sich in Blöcke teilt und die Gräben zwischen dem Westen und dem Rest der Welt tiefer werden, begleitet von einer Verhärtung ideologischer Positionen. Dies erschwert den Multilateralismus und den Aufbau von Vertrauen.
Besonders bemerkenswert ist, dass der Globale Süden Stabilität anstrebt und daher aktiv parallel Institutionen aufbaut, den Handel zwischen sich vertieft und Komfort in nicht-westlichen Gruppierungen wie den BRICS und der Shanghai Cooperation Organization findet. Diese Länder praktizieren eine aktive Multi-Ausrichtung, um ihre eigenen Interessen zu sichern, anstatt sich einer Gruppe anzuschließen. Zudem beobachtet man einen Abbau des globalen Konsenses über Entwicklung und eine paradigm shift weg von Freihandel als Entwicklungsinstrument, hin zu nationalen Interessen.
Nemoy Thompson aus Ghana teilte Einsichten über den langfristigen Entwicklungsplan seines Landes, der über 40 Jahre angelegt ist, aber durch zehn vierjährige mittelfristige Pläne Flexibilität bietet. Er unterstrich die Wichtigkeit des internationalen Handels, dessen „Waffenisierung“ eine große Sorge darstellt. Ghana und Afrika müssen aus den aktuellen Störungen lernen und die Anstrengungen zur Integration des afrikanischen Handels beschleunigen, insbesondere durch das Afrikanische Kontinentale Freihandelsabkommen. Die Stärkung der lokalen Wirtschaft ist dabei entscheidend für die nationale Widerstandsfähigkeit.
Dirk Messner aus Deutschland zeigte sich zutiefst besorgt über die aktuellen Entwicklungen. Er identifizierte vier tektonische Verschiebungen: erstens die planetaren Probleme (Klimaziele werden nicht erreicht); zweitens die Erosion der internationalen Ordnung (keine funktionierende Alternative zum alten, dysfunktionalen System); drittens die Krise der Demokratie in der westlichen Welt; und viertens die KI-Revolution, die alle Bereiche des Lebens beeinflusst.
Trotz dieser Sorgen hob Messner die positive Rolle Europas hervor, insbesondere das Konzept des Europäischen Green Deal, das den Versuch darstellt, eine Wirtschaft innerhalb planetarer und ökologischer Grenzen zu organisieren. Er äußerte jedoch Scham darüber, dass Europa zwar massiv in militärische Infrastruktur investiert, aber gleichzeitig die Investitionen in die internationale Zusammenarbeit kürzt. Für eine nachhaltige Zusammenarbeit in dieser sich entwickelnden multipolaren Welt ist laut Messner ein werteorientiertes Handeln unerlässlich, da ohne eine soziale Basis die aktuellen Krisen nicht gelöst werden können.
Abschließend wurde deutlich, dass neue Modelle der Zusammenarbeit dringend erforderlich sind. Obi Ezekiel forderte, dass die Welt nicht nur kleine Änderungen an bestehenden multilateralen Instrumenten vornehmen, sondern sich an einen Designtisch setzen muss, um eine neue Architektur zu entwerfen, die auch junge Menschen und Frauen einbezieht. Die Botschaft ist klar: Der Globale Süden muss ebenfalls seine Allianzen stärken und die Zusammenarbeit untereinander vertiefen. Europa, so Obi Ezekiel, muss seine Denkweise gegenüber Afrika ändern und die Kontinuität und das Potenzial Afrikas als Wohlstandszone erkennen, anstatt sich nur auf Chinas Aktivitäten zu konzentrieren. Die jungen Menschen Afrikas (Durchschnittsalter 18,8 Jahre), die Frauen und die Technologie sind die treibenden Kräfte für Afrikas Wachstum und bieten Europa enorme Chancen. Es ist Zeit, mutig voranzuschreiten und neue Allianzen aufzubauen.